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Entzündungen als Brutstätte von Leberkrebs entdeckt

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ELS3D-Rekonstruktion einer ELS (ectopic lymphoid structure) aus dem Lebergewebe einer Maus. Grün: Leberkrebs Vorläuferzellen, Pink: Immunzellen / Quelle: Mathias Heikenwälder, DKFZ & HMGU
Neuherberg, 27. Oktober 2015. Forscher des Helmholtz Zentrums München haben gemeinsam mit Kollegen... Bei Rheuma und Multipler Sklerose, Hepatitis C und Tuberkulose und auch bei Brust- und Darmkrebs treten sie auf: In den erkrankten Organen und Geweben bilden sich kleine Strukturen aus Zellen des Immunsystems, die in ihrem Aufbau und ihrer Zellzusammensetzung an Lymphknoten erinnern. Wie und warum diese „Pseudo-Lymphknoten“ (ektope lymphoide Strukturen, kurz ELS) genau entstehen, wussten Wissenschaftler bislang nicht. Bei Darm-, Brust- und Lungenkrebs ist ihr Vorhandensein mit einem günstigeren Verlauf assoziiert. Dass dies für Leberkrebs nicht gilt, zeigte nun Prof. Dr. Mathias Heikenwälder, Forscher am Helmholtz Zentrum München  (Institut für Virologie) und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Leberkrebs ist die zweithäufigste Krebstodesursache weltweit. Meist entsteht die Erkrankung als Folge einer chronischen Leberentzündung, die sich entweder aus einer Virushepatitis oder aus einer entzündlichen Fettleber entwickelt. „Pseudo-Lymphknoten“ sind ein charakteristisches Merkmal der chronischen Leberentzündung. Heikenwälder und Kollegen, darunter auch Dr. Kristian Unger aus der Abteilung Strahlenzytogenetik und Detian Yuan, Doktorand von Institut für Virologie am Helmholtz Zentrum München, zählten die Pseudo-Lymphknoten im krebsfreien Lebergewebe von 82 Leberkrebs-Patienten und erkannten: Je mehr dieser Immunstrukturen eine Leber enthält, desto höher das Risiko, dass der Krebs nach Behandlung zurückkehrt. Als Ursachen für die Entstehung der Pseudo-Lymphknoten kamen die Forscher einem notorischen Wachstumstreiber von Immunzellen und Entzündungsreaktionen auf die Spur, dem Zellkern-Protein NF-κB. ELS sind aus einer Vielfalt von Zellen des angeborenen (Makrophagen, dendritische Zellen) sowie des erworbenen Immunsystems (T- und B-Zellen) aufgebaut und enthalten sogar Blutgefäße, über die Immunzellen einwandern können. Mäuse, die keine T- und B-Zellen bilden können, produzieren trotz dauerhaft aktivierten NF-κB-Signals keine Pseudo-Lymphknoten und erkranken kaum an Leberkrebs.

Treibstoff-Entzug verlangsamt Krebswachstum

Warum sind die ELS eine so günstige Brutstätte für Leberkrebs? Die Wissenschaftler fanden in den Pseudo-Lymphknoten hohe Konzentrationen an Signalmolekülen des Immunsystems, insbesondere die so genannten Lymphotoxine. Im frühen Stadium der Krebsentstehung produzieren ausschließlich die Immunzellen des ELS diese krebsfördernden Proteine. „Die Leberkrebs-Vorläuferzellen in den ELS sind förmlich süchtig nach den Lymphotoxinen. Irgendwann sind sie in der Lage, sich diesen „Treibstoff“ selbst zu produzieren. Erst dann fangen die an, aus den ELS auszuwandern und sich im Lebergewebe zu vermehren. Das konnten wir in Gewebeuntersuchungen nachweisen“, sagt Heikenwälder. Die Wissenschaftler behandelten die Mäuse mit einem Wirkstoff, der die Lymphotoxine blockiert, und entzogen den Krebs-Vorläufern damit ihren Treibstoff. Tatsächlich entwickelten die Tiere daraufhin weniger Tumoren. Das funktionierte aber nur, wenn der Wirkstoff rechtzeitig verabreicht wurde, solange die Krebsvorläufer ausschließlich auf die von den ELS produzierten Lymphotoxine angewiesen waren. Sobald sie sich ihren Treibstoff selbst produzieren, wirkte die Therapie nicht mehr. „Wir kennen nun das Muster der Genaktivität, das zur übermäßigen Aktivierung von NF-κB führt und damit dazu beiträgt, dass Pseudo-Lymphknoten entstehen und dass sich gesunde Leberzellen in Tumorvorläuferzellen verwandeln. Anhand dieser „Gen-Signatur“ können wir abschätzen, welcher Patient mit einer chronischen Leberentzündung ein hohes Risiko hat, an Leberkrebs zu erkranken“, sagt Heikenwälder. Diese Gen-Signatur soll zunächst an weiteren Patientengruppen auf ihre klinische Relevanz überprüft werden. Heikenwälder und seine Kollegen wollen nun bei Risikopatienten prüfen, ob eine Blockade der wachstumstreibenden Lymphotoxine auch beim Menschen die Entstehung von Leberkrebs verhindern kann.

Weitere Informationen

Original Publikation:
Finkin, S. et al. (2015): Ectopic lymphoid structures function as microniches for tumor progenitor cells in hepatocellular carcinoma. Nature Immunology, DOI: 10.1038/ni.3290 Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören. Das Helmholtz Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung e.V. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren. Die selbstständige Abteilung Strahlenzytogenetik (ZYTO) untersucht strahleninduzierte Chromosomen- und DNA-Schäden in Zellsystemen und menschlichen Tumoren. Im Mittelpunkt steht die Aufklärung von Mechanismen der Strahlenkarzinogenese und -empfindlichkeit von Tumorzellen. Ziel ist es, Biomarker für den Nachweis strahleninduzierter Tumoren für die personalisierte Strahlentherapie zur Stratifizierung von Patienten zu finden. ZYTO gehört dem Department of Radiation Sciences (DRS) an. Das Institut für Virologie (VIRO) untersucht Viren, die Menschen chronisch infizieren und lebensbedrohliche Krankheiten hervorrufen können. Der Fokus liegt auf dem AIDS-Erreger HIV, endogenen Retroviren, die in unserer Keimbahn integriert sind, sowie Hepatitis-B- und C-Viren, die Leberzirrhose und hepatozelluläre Karzinome verursachen. Molekulare Studien identifizieren neue diagnostische und therapeutische Konzepte, um diese Virus-Erkrankungen zu verhindern und zu behandeln bzw. die Entstehung von virusinduzierten Tumoren zu vermeiden.

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