Gefrorene Blüten eines Apfelbaums in Südtirol. Steroidhormone können bei Pflanzen eine wichtige Rolle für die Beständigkeit gegenüber Kälte spielen. Quelle: Dietmar Mitterer-Zublasing Pflanzen können sich nicht einfach ein geeigneteres Umfeld suchen, wenn ihnen die... Kältestress gehört zu den Umwelteinflüssen, die direkte Auswirkungen auf das Wachstum und den Ertrag von Pflanzen zeigen. Eine zentrale Rolle spielen nach den aktuellen Erkenntnissen dabei auch die sogenannten Brassinosteroide. So konnten die TUM-Forscher um Prof. Brigitte Poppenberger bereits in früheren Forschungsarbeiten anhand der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) aufzeigen, wie genau diese Pflanzenhormone das Wachstum von Pflanzen fördern. Es war schon lange bekannt, dass sie bei der Entwicklung der Pflanzen eine Rolle spielen, der genaue Wirkmechanismus blieb bis jetzt jedoch im Dunkeln.
Nicht zufällig entschieden sich die Forscher auch in der aktuellen Studie für die Ackerschmalwand. Die Pflanze überlebt bei niedrigen Temperaturen und kann ihre Frosttoleranz durch Kälteanpassung sogar erhöhen. Um diese Mechanismen aufzuklären führten die Forscher Experimente durch, in denen sie Arabidopsis-Pflanzen langsam sinkenden Temperaturen aussetzten. Bei Versuchen mit Wildformen im Labor zeigte sich, dass die Pflanze bei zunehmender Kälte beginnt, in ihren Zellen sämtliche von der DNA in RNA umgeschriebene Gene zu verändern. Laut den Forschern verringert sich durch diesen natürlichen Schutzmechanismus ihr Wachstum, wodurch sich ihre Überlebenschancen erhöhen.
Molekularer Winterspeck
Genetisch veränderten Modellpflanzen, die Brassinosteroide nicht mehr selbst herstellen oder als Signal erkennen konnten zeigten jedoch bei Temperaturen von minus sechs Grad bereits deutliche Schäden. So war offensichtlich, dass Brassinosteroide die Frostresistenz erhöhen. Auf molekularer Ebene erzeugen diese sogar eine veränderte Fettsäurekomposition in der Pflanze. Sie legt sich dadurch quasi „Winterspeck“ zu, der vor Kälteschäden schützt.
Dem Klimawandel ein Schnippchen schlagen
Die Erkenntnisse bieten somit Lösungen für Probleme, die im Zuge des Klimawandels in der Landwirtschaft aufgetreten sind. Auch wenn die meisten bei globaler Erwärmung nur an das vermehrte Auftreten von Hitzeperioden denken, ist auch verstärkt mit Frostvorkommnissen wie Früh- und Spätfrost zu rechnen, was verheerende Ernteausfälle zur Folge haben kann, so die Forscher.
"Die Studie liefert einen interessanten Ansatz, der im Zuge des Klimawandels noch eine große gesellschaftliche Relevanz bekommen könnte", sagt Klaus Mayer, Leiter der Abteilung Genomik und Systembiologie pflanzlicher Genome (PGSB) am Helmholtz Zentrum München, die ebenfalls an dem Projekt beteiligt ist.
Weitere Informationen
Original-Publikation: Eremina, M. et al. (2016): Brassinosteroids participate in the control of basal and acquired freezing tolerance of plants. Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1611477113
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Der Schwerpunkt der selbstständigen Abteilung Genomik und Systembiologie pflanzlicher Genome (PGSB)ist die Genom- und Systemorientierte Bioinformatik pflanzlicher Genome. In diesem Rahmen werden Genomverschlüsselungen, Expressionsmuster, funktionelle und systembiologische Fragestellungen untersucht. PGSB verwaltet außerdem einen großen Datensatz pflanzlicher Genome in Datenbanken und macht diese zusammen mit vergleichenden Analysen der Öffentlichkeit zugänglich. PGSB gehört zum Institut für Bioinformatik und Systembiologie.
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